© Titus Nessel, 2016

Die Orgel der Herrenhäuser Kirche

Die erste Orgel

Am 27. Mai 1906 wurde die Herrenhäuser Kirche zusammen mit der ersten Orgel geweiht. Die Orgelbaufirma Furtwängler & Hammer (Hannover) hatte in die Turmhalle hinein hinter dem Standort der heutigen Orgel eine Orgel mit pneumatischen Kegelladen gebaut. Sie hatte auf zwei Manuale und Pedal verteilt 35 Register. Ihr romantisches Klangbild und ihre orgelbautechnische Ausführung entsprach den Anforderungen an ein Instrument, das typisch war für das beginnende 20. Jahrhundert.

Diese Orgel war eine Stiftung des Herzogs Ernst August von Hannover (1845–1923) im Wert von 15.000 Mk. Ernst August war der letzte Kronprinz des Königreiches Hannover. Den Orgel-Prospekt zierte sein Familienwappen und die Inschrift des Psalm 103 Vers 2, den er selbst aussuchte. Zum Dank für diese Stiftung widmete die Gemeinde ihm und seinem Hause als "Herzogstuhl" die nordöstliche Prieche. Dieser Patriarchensitz ist heute nicht mehr erhalten, an seiner Stelle steht nun das Taufbecken.

Diese Orgel war ein anerkannt gutes Instrument – bis zum 24. Oktober 1944. Schwerste Fliegerangriffe hatten an diesem Tage den Stadtteil Herrenhausen getroffen. Dabei wurden das Kirchendach der Herrenhäuser Kirche beschädigt und die großen Fenster restlos zerstört. Da eine umfassende Abhilfe bei diesen Schäden in den Kriegszeiten nicht geleistet werden konnte, die Fenster vor allem nicht gleich ersetzt werden konnten, war die Orgel zunächst schädlichen Witterungseinflüssen ausgesetzt. Sie nahm dauerhaft Schaden und sollte sich davon nicht wieder richtig erholen.

Zunächst versuchte die Orgelbaumeister Hermann Hillebrand 1947 zu retten, was zu retten war. Die Orgel wurde repariert und neu intoniert. Dabei wurde sie vor allem im Sinne der so genannten Orgelbewegung barockisiert, indem u. a. Register umgebaut wurden. In Hannover sollte die Orgel noch einmal von sich reden machen, als Kantor Adolf Sörensen im Bachjahr 1950 einen Zyklus mit dem Orgelwerk Bachs in der Herrenhäuser Kirche organisierte. Doch wenig später klagte Sörensen, dass er sich "mehr in der Orgel zum Reparieren als am Spieltisch zum Spielen" aufhalte. Die Traktur war völlig unsicher geworden, vor allem hatte die Pneumatik sich verschlissen. Der Kirchenvorstand beschloss 1963 einen Orgelneubau an Firma Gebrüder Hillebrand zu vergeben. Der damalige Kantor Matthias Kern schrieb davon 1967: "Hätte unsere alte Herrenhäuser Kirchenorgel eine solche unverwüstliche Traktur mit einer mechanischen Übertragung gehabt, dann wären sicherlich nicht die vielen Mängel aufgetreten, und wir hätten sie nicht im "jugendlichen" Alter von 60 Jahren abreißen müssen..."

Erste Orgel 1906
Herrenhäuser Kirche im Jugendstil, Innenansicht von 1906 mit Orgel (rechts) und Radleuchter (mittig)

Disposition der ersten Orgel von 1906

Hauptwerk

Bordun 16‘
Prinzipal 8‘
Gamba 8‘
Hohlflöte 8‘
Dolce 8‘
Oktave 4‘
Rohrflöte 4‘
Oktave 2‘
Cornett 3f
Mixtur 2-3f
Trompete 8‘

Schwellwerk

Liebl. Gedackt 16‘
Geigenprinzipal 8‘
Salicional 8‘
Harmonieflöte 8‘
Gedackt 8‘
Aeoline 8‘
Vox-coelestis 8‘
Fugara 4‘
Zartflöte 4‘
Gemshorn 4‘
Harmonia-aeth. 3-4f
Piccolo 2‘
Klarinette 8‘

Pedal

Prinzipalbass 16‘
Violon 16‘
Subbass 16‘
Harmonikabass 16‘
Oktavbass 8’
Cello 8’
Bassflöte 8’
Oktave 4’
Posaune 16’